Unsere weit reisenden Störche
Die Haupterntezeit steht vor der Tür. Das abgemähte Getreidefeld wandelt sich zu einem goldenen Stoppelacker. Vereinzelt schreitet ein Weißstorch suchend dahin, um - meistens vergeblich - nach einem Reptil oder nach Würmern Ausschau zu halten. Stattdessen erbeutet er gelegentlich eine eingewanderte Feldmaus, die sich am herangereiften Korn eine Zeitlang laben konnte. Sonst gibt es in den Ernteflächen eher naturfeindliche sterile Monokulturen, die einen hohen Ernteertrag begünstigen sollen!
Ein erwachsener Storch kommt trotz seiner Größe mit dem vorliegenden Nahrungsangebot in strukturierter Landschaft noch einigermaßen zurecht, kaum aber seine Jungen! Sollen sie erfolgreich aufgezogen werden, benötigen sie vielseitige Beköstigung. Vor allem müssen Amphibien dabei sein. Zu oft fehlen sie oder sind nur zu gering präsent, Folgen einer jahrzehntelangen Trockenlegung der feuchtnassen Niederungsflächen.
Deshalb agieren viele NABU-Mitglieder und deren Freunde in den Elbtalauen, im Havelland, in der Mecklenburgischen Seenlandschaft und vielen anderen Bereichen, um gegenläufig viele umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen umzusetzen. So ließen sich bereits wieder vielseitige Nahrungsketten mit Molchen, Unken und Fröschen entwickeln, wahre Fitness-Flächen für unsere Storchen-Populationen!
Recht ähnliche NABU-Konzepte mit Wasser-Staumaßnahmen gibt es im großen Talraum der Pinnau, wie zum Beispiel an der Appener Au, der Düpenau und nun auch der Mühlenau; sie sollen u.a. auch den heimischen Minimalbestand an Störchen stabilisieren helfen.
Ausfälle sind trotzdem immer wieder zu beobachten. Trotz hinreichenden Nahrungsangebots erscheint ein Storchenpaar im nächsten Jahr nicht wieder, trotz ihrer zuverlässigen Ortsansässigkeit mit großem Familiensinn – und trotz gelegentlichen Ergänzungsfutters!
Die Schwerpunkte dieser Ursachen liegen weit außerhalb!
Zu gern brät sich jemand mal einen Storch! - wenn sich dieser auf dem langen Weg in sein südafrikanisches Winterquartier befindet! Es kann unseren Wappenvogel Adebar dort genauso erwischen wie auf der anstrengenden Rückreise ins Brutgebiet!
Auch in Südafrika gibt es die ursprünglich wilde Natur immer weniger. Ackerbau soll ertragreicher werden, also wird auch hier inzwischen mit Pestiziden flächendeckend gespritzt.
Luzernefelder voller Schmetterlingsraupen boten früher einen reichhaltig gedeckten Tisch. Die kleinbäuerlichen Betriebe bauen auch heute noch eine Vielzahl von Gemüsesorten und Kräutern an. Bislang konnte unser Großvogel dort im fernen Süden, so wie bei uns vor 100 Jahren, als Storch im Salat stolzieren, um auf den Beeten von Kleingetier zu profitieren. Verbreiteter Pflanzenschutz sorgt nunmehr dafür, dass ihn nach jedem anstrengenden, außerdem gefährlichen Langstreckenflug, egal in welche Richtung, meistens nur noch karge Kost erwartet!
Nationale Programme für den Storchenschutz gibt es inzwischen hinreichend. Die Satelliten-Telemetrie vermittelt Erkenntnisse über das Zugverhalten: „Ein Sender geht auf Reisen“. Internationale Aufklärung muss weitere Zusammenarbeit fördern! Alle Menschen im Ausland müssen von ihrer tief geprägten, verbotenen Jagdtradition ablassen. Gemeinsame Konzepte für allgemeine Biotopverbesserungen sollten weit über die Grenzen hinweg allen unseren Zugvögeln zukünftig viel bessere Überlebenschancen sichern.
Auch wenn wohl alle nicht mehr an den Klapperstorch glauben, er bleibt eine ganz besonders schützenswerte Symbolfigur. So Mancher wünscht sich wohl immer noch in sich hineinschmunzelnd: „Hoffentlich hat er sie ins Bein gebissen:
Er flog vorbei in voller Pracht und hat den Eltern Glück gebracht!“
30.05.2017
Uwe Langrock
NABU Pinneberg