Die Schneeammer, seltenerer Wintervogel auf dem Deich
Schon Ende Oktober gab es in herbstlichen Wochen die ersten Sichtungen im Unterelbwegebiet. Diese bei uns seltener vorkommende Ammern-Art traf ungewöhnlich früh ein, wenn man bedenkt, dass die vielen letzten Jahre spürbar wärmer ausgefallen sind. Sie verzögern die Ankunft der arktischen Vögel deutlich.
Die Schneeammer (Plectrophenax nivalis) überwintert regelmäßig an der Nordseeküste, trifft wohl jedes Jahr in Jütland ein, wenn es im hohen Norden frostig kalt wird und eine hohe Schneedecke Samen und weitere Nahrung überdeckt.
Im Störmündungsbereich hielt sich kürzlich ein ungewöhnlich zutrauliches Exemplar auf, das sich immer wieder nur auf wenige Meter distanzierte. Eher sehen wir tiefer in den Winter hinein kleine Trupps auf dem Deich. Sie erregen unsere Aufmerksamkeit, wenn sie auffliegen, um sich ein kleines Stückchen weiter wieder niederzulassen. Dabei lassen sie sich auch an ihren Kontaktrufen orten, ein Trrrüih oder ein lauter pfeifender Ruf ist meistens dabei.
In diesem Winterhalbjahr scheint es recht gute Chancen zu geben, über viele Wochen fündig zu werden.
Bereits seit vielen Wochen sorgen heftige Schneefälle über Norwegen bei anziehendem Frost für eine weiterwachsende weiße Decke. Aus Nahrungsknappheit weichen fast alle Vögel in den wärmeren Süden aus, sind daher hierzulande zu beobachten. So auch die Schneeammer, die in vielen Winterhalbjahren meist in kleinen Trupps von 5 bis 15 Tieren längs der grünen Außendeichlinien auftreten: von der Nordseeküste bis zur Unterelbe.
Wollen wir sie beobachten, sollten wir eine längere Strecke auf Deichwanderwegen einplanen. Besser ist es, eine Zeit zu wählen, in der eine gewisse Überbelebung von Menschen mit Tieren auf bestimmten bekannten Wanderstrecken auszuschließen ist. Sonst sieht man sie nur in einer kleinen Vogelwolke zwar gesellig, aber ein wenig flatterig sowie scheinbar ziel- und hilflos hin- und herfliegen. Die Mitnahme eines Feldstechers dürfte informierend hilfreich sein, um Aussehen und Verhalten zu studieren.
Schnell können wir Schneeammern an den vielen hellen Tönungen erkennen. Viel Weiß ist im Gefieder erkennbar, vor allem das Männchen hat einen reichlich weißen Kopf mit etwas Braun im Ohrbereich. Weiß ist auch die Unterseite, gänzlich schwarz sind die Flügeldecken. Das Weibchen weist mehr braun auf, Kopf und Unterseite sind weiß mit seitlich kleinen braunen Zonen. Mit ca. 15 cm Länge könnten wir diese Art gut in die Größe von Finken einordnen, jedoch fällt das unterschiedliche Gewicht auf, es variiert von 28 g bis über 42 g!
Ein größeres Körpergewicht kann mehr Wärme halten. Es ist bedeutsam, falls es noch einmal im Brutgebiet kurzfristig richtig kalt werden sollte.
Die Schneeammer bevorzugt die offene Weite, fühlt sich in der steinigen Tundra des hohen skandinavischen Nordens, Schottlands und Islands zu Hause. Sie ist daher auch auf dem Fjäll zu finden. Somit ist sie der nördlichste Brutvogel. Nur einmal im Jahr, nämlich im Juni und Juli, geht sie eine monogame Saisonehe ein. Sie baut zwischen Steinen gern in Felsspalten ein Nest aus trocknen Halmen, verflicht sie mit Moosen sowie Flechten, um abschließend die kleine Mulde mit Federn auszukleiden. Im Gelege lassen sich 4 – 6 weißbläuliche Eier mit dunklen Flecken finden. Diese Anzahl reichte in der Vergangenheit aus, um die Art langfristig zu erhalten. Das Weibchen bebrütet das Gelege allein. Wie bei den meisten Kleinvögeln schlüpfen nach dem Bebrüten die Jungen nach 14 Tagen, der eine 12tägige Nestlingszeit folgt. Beide Elternteile füttern mit kleinen Insekten, Spinnen und Samen ihre Nachkömmlinge groß.
Sogar als Bodenbrüter haben sie wenig zu befürchten, so gut getarnt sind sie! Über ihren Bereich aber wandern regelmäßig Herden von Rentieren. Diese an sich harmlosen Pflanzenfresser können häufiger zufällig ein Nest zertreten. Als Fressfeinde sind Fuchs, Raubmöwen und Wiesel zu nennen. Sie alle übersehen meistens das kleine Nest.
Die Schneeammer steht auf der Roten Liste. Der zögerlich anhaltende Bestandsrückgang lässt sich auf allgemeine anthropogene Umweltbelastungen zurückführen, die längst auch die Arktis erfasst haben.
Besonders bekannt unter den Ammern ist die Goldammer, wir stellten sie erst im Mai vor. Die Rohrammer als weitere Art lässt sich in den heimischen Röhrichten gut verhören. Sie hält sich gern tiefer zwischen den Halmen auf, das singende Männchen steigt dann gern auch einmal auf eines Halmes Spitze hinauf. Das ungeübte Auge übersieht die kleinen Vögel, die sich wegen ihrer Brauntönung vom ähnlich gefärbten Röhricht des Vorjahres fast gar nicht unterscheiden.
Und nun wollen wir in meist trüber Dezemberzeit einen einigermaßen guten Tag erwischen, um nach den Ammern Ausschau zu halten!
Die beigelegten Schneeammern-Bilder sind von mir aufgenommen.
Uwe Langrock
NABU