Die Ringeltaube (Columba palumbus)
Das gesamte Jahr können wir in unserem Gebiet die Ringeltaube beobachten. Jedoch gibt es bei ihr auch einen spürbaren Herbstzug, wenn sie die schneebedeckten Flächen Skandinaviens, des Baltikums und Russlands wegen Nahrungsmangels räumen muss.
Gerade für den Vogelzug im Herbst bietet sich die norddeutsche Tiefebene als Durchflugsgebiet besonders an. Das noch mild temperierte Wasser unserer beiden benachbarten Meere lässt im Spätherbst selten eine dauerhafte Schneedecke zu. So können die Körner fressenden Tiere in unserer Landschaft noch einiges an Nahrung auf dem Boden finden. Große Trupps bis zu 1000 Exemplaren ziehen im fortgeschrittenen Herbst durch, um Richtung Südwesteuropa zu fliegen, queren bevorzugt in der Frühe bei Wedel die Elbe. An diesem Sammelpunkt können es zigtausende auf einmal sein! Einige aber bleiben auch ganzjährig im Brutgebiet. So kann man sie meist als Einzelindividuen in der dunklen Jahreszeit an geschützteren Stellen mit Baumbestand finden, wie beispielsweise im Klövensteen, dem Borsteler Wohld und weiteren Bereichen. Sensationell ist es dann schon, wenn man plötzlich in freier Landschaft an die 1000 Ringeltauben vorfindet, wie im letzten Winter in der Störniederung. Es handelt sich wohl um einen reisenden Trupp, der zufällig viel Nahrung gefunden hat. So verweilt er hier für längere Zeit. Die recht mild temperierte Jahreszeit machte es möglich!
Die Ringeltaube gehört zu jenen Vögeln, die wir schon in früher Kindheit beim Spaziergang durch einen Park erkennen lernen (sollten). Sie fällt als Vogel mit ihrer besonderen Größe auf, dem stahlblauen Gefieder der Rückendecken, dem rötlichen Hauch des Brustgefieders und vor allem an dem seitlich gelegenen weißen Halsfleck. Spaziergänger sind harmlos, schnell haben Tiere es begriffen, die Fluchtdistanz minimiert sich. So tippeln sie kopfwackelnd in der Nähe lustwandelnder Parkbesucher hin und her. Beim Brotverzehren krümelt sich der Boden voll mit letztlich verarbeitetem Körnerfutter, ein Schmaus für die Tauben - und im jungen Grün „muss ein Mädchen nicht lange müßig gehen, als eine Taube ein Korn aufnimmt!“
Auch wenn sie im Herbst unsere Gärten räumen, so verweilen sie in Trupps auf den abgeernteten Feldern, sammeln sich an bestimmten Schlafplätzen, ziehen dann eines Tages Richtung Mittelmeerraum davon, bis nach Nordafrika. Ein milder Winter lässt eine größere Zahl nur bis zum Weser-Ems-Gebiet gelangen. Wenn Ende Januar oder Anfang Februar die ersten Sonnenstrahlen spürbar Haus und Hof erwärmen, finden sich die ersten Rückkehrer an ihren typischen Plätzen schon wieder ein.
Ein kräftiger Ast im höheren Baum darf es gern sein. Und häufig gurrt der Täuber Jahr für Jahr immer wieder von diesem Platz stundenlang, fliegt seiner Auserwählten von Baum zu Baum meist aufdringlich hinterher, schlägt klatschend mit den Flügeln, immer und immer wieder, legt einen imposanten Bogenflug hin, bis sich der gewünschte Erfolg einstellt.
Ein Nest in einer Astgabel ist aus einigen Zweigen schnell bereitet, es ist alles andere als kunstvoll und stabil. Der Täuber trägt die Zweige einzeln im Schnabel heran. Sein dekoratives Verhalten erinnert an Noahs Friedenstaube, die uns den Friedenszweig brachte. Sie war nur das kleine weiße Sturmwölkchen am Cap der guten Hoffnung, das am heiteren Himmel aufsteigt, neuen Sturm zu verkünden!
Kaum ein Dutzend übereinander getürmte Zweige erfüllen schon den Zweck für das Brutgeschäft. Wenn nicht, liegen auf dem Boden ein oder zwei zerschlagene Eier als Energietrunk für die Welt der Aasfresser. Aus den Augen, aus dem Sinn, wer rastet, der rostet. Schon umwirbt der Täuber erneut seine Partnerin solange, bis sein Werben erfolgreich endet.
In dieser Weise wird bei vielen Paaren die Jungenaufzucht häufig einige Male durchgezogen.
Normalerweise beginnt das Brutgeschäft im April, zwei Eier werden 16 Tage bebrütet, die schlüpfenden Küken bleiben 28 Tage lang Nestlinge, werden mit Samen und Gewürm gefüttert.
Und wenn man bedenkt, dass der Fortpflanzungstrieb bereits in einem milden Februarmonat sichtbar beginnt, dann fördert er, risikoreich für den Nachwuchs, den Erhalt des Artbestandes.
Viele Tauben flüchten blindlinks vor Feinden, verletzen sich schwer beim Aufprall gegen Kraftfahrzeuge oder Fensterscheiben usw. Es geht kaum anders, ihr schwerfälliger Flug ist auf den relativ fleischreichen Körper zurückzuführen, daher früher eine besonders häufige Delikatesse, die gebraten: in das Schlaraffenland gehört!
So kann der Habicht als ihr Hauptfeind sie im freien Raum im Streckenflug rasch einholen und schlagen, vielleicht auch ein großes Sperberweibchen. Es nützt ihr auf der Flucht wenig, wenn sie aus ihrem Kropf gesammelten Ballast abwirft, wie etwa Eicheln, im ungeschützten freien Raum hat sie das Nachsehen. Die abgeworfenen Eicheln keimen im Folgejahr in einer besonderen Flucht auf dem Boden, wie vorbildlich gestaltete Überhälter auf dem Knickwall. Vor Jahrhunderten konnte sich der Mensch an den herangewachsenen Exemplaren orientieren, wenn er weite Gehwegstrecken zurücklegte. So entstanden in natürlicher Weise Eichenalleen. Im Dickicht kann sie leichter im Unterholz verschwinden. Nachtaktive Steinmarder und andere Raubtiere können Tauben im Schlaf auf Bäumen überraschen, so dass sie den Bestand eingrenzen.
Es gibt einige weitere verwandte Arten:
Die Hohltaube haben wir früher bereits vorgestellt. Jungen Ringeltauben fehlt noch der weiße Halsfleck, so dass hier Verwechslungen möglich sind. Hohltauben aber sind kleiner und einheitlicher gefärbt, sie bevorzugen die offene Landschaft.
In unseren Wohngebieten findet sich häufig die Türkentaube ein, die Ende der 50er Jahre fast invasiv über den Balkan nach Mitteleuropa vordrang, sogar plötzlich am Nordkap zu entdecken war. Ihre heutige Verbreitung hält sich in Grenzen. Sie ist ziemlich einheitlich beigebraun gefärbt und weist einen schmalen schwarzen Ring am Hals auf.
Viele weitere Arten leben mediterran oder außerhalb Europas.
Leider ist die Turteltaube aus Schleswig-Holstein quasi verschwunden. Gelegentlich brüten vereinzelt Paare in unserem Land zwischen den Meeren. So war sie vor wenigen Jahren im weiten Ödland des Kiesabbaugebietes bei Bokel in unserem Kreis plötzlich nachweisbar.
Leider kam sie nicht wieder. Die allgemeine Bestandsabnahmen an Vogelarten dauert unvermindert an! Die Ursachen sind hinreichend bekannt!
Uwe Langrock