Schon in der Adventszeit wallt gelegentlich ein eisiger Hauch hochwinterlicher Kontinentalkälte herüber. Nach gefallenem Schnee erstarren Wald und Feld unter einer weißen Decke. Klebende Eiskristalle am wärmeren Schuh unterkühlen rasch den schreitenden Fuß! Die vielen großen Wattetupfer auf den Zweigen verschlucken den Schall, das Knirschen unter den Schuhsohlen, sonst ist es totenstill.
Der Tag erwacht!
Sehr hoch am blass blauen Himmel, weit über der Eiseskälte am Boden, ziehen Singschwäne, kaum vernehmbar, dem ersten Sonnenlicht entgegen, ihrem Rastgebiet in den Elbtalauen. Im weiß verhangenen Walde erwacht jetzt zögerlich das Leben. Es sammeln sich größere gemischte Trupps von Kohl- und Blau- sowie wenigen Weidenmeisen; zwei Kleiber sind mit ihren deutlichen Lauten dabei, auch ein Gartenbaumläufer, erkennbar an seinem kurzen, scharfen Zieh-Laut. Sie sehen eher den heranschießenden hungrigen Sperber.
Der geübte Blick erfasst vielleicht einen Kernbeißer, der wie ein großer Buchfink mit seinem leuchtenden Weiß auf den Flügeln erkennbar ist. Sie alle halten sich jetzt vorzugsweise an der Sonnenseite des Waldes auf, dort wo die großen Stämme des Laub-Mischwaldes erstes wärmendes Licht einfangen.
Ein leicht gedehntes, dünneres Ziieh verrät die Erlenzeisige, eine lockere Wolke fliegt heran. Vielleicht sind es dreißig. Alle suchen emsig ihre erste Nahrung auf den Zweigen in den Baumkronen, selten am Boden. Der Tag ist kurz, und der kleine Körper verlangt eine Ration von etwa 10 g; es ist das eigene Gewicht!
Dann ist es wieder geraume Zeit still. Doch was ist das? – Ein lautes, etwas blechernes Schilpen ist zu hören. Kein Spatz, kein Fink und natürlich keine Meise! Nach langer Zeit sind es wieder einmal einige verrückte Kerle, die in den Nadelgehölzen umher turnen. Es sind kleine Nahrungsspezialisten, die mit ihrem schräg über den Unterschnabel geschobenen Oberschnabel versuchen, die Fichten- und Kiefernzapfen aufzuhebeln: Es sind Fichten-, eventuell Kiefernkreuzschnäbel.
In Abständen von Jahren treten sie urplötzlich bei uns auf. Sie ziehen weiter, wenn die Zapfen fehlen oder zu wenig ausgereifte Samen hergeben. Sonst aber verweilen sie und brüten mitten im kalten Winter. Sie sind bereits erspäht. Wir dürfen sie in diesem Jahr wieder an mancher Stelle erwarten!
Wie schön, dass nicht alle Fichten Opfer der früheren, häufigen Sturm- und Orkanjahre geworden sind und im Mischwald überleben dürfen! Häher, Krähe und Greif übernachten genauso gern wie die kleinste Vogelart unserer Heimat:
Es sind die Wintergoldhähnchen, deren dünne, hohe Fisteltöne nur das geschulte Ohr wahrnehmen kann. Im einigermaßen gesunden Wald sind auch sie mindestens mit wenigen Exemplaren vertreten. Ist es über dem Kontinent sehr kalt geworden, dann fliehen diese Winzlinge, diese kleinen 6g-Federbällchen, vor der grimmigen Eiseskälte zu Hauf in das winterlich milde Mitteleuropa mit seinen seltenen -20°! Und wenn man Glück hat, sehen wir sie mit ihrem goldigen Scheitel auch einmal auf einem tieferen Zweig in Bodennähe sitzen.
Während unseres Spazierganges ist die Sonne etwas höher hinaufgestiegen. Ein Zaunkönig lässt seinen Warnruf ertönen, das Rotkehlchen aber bleibt meistens stumm, wenn es einmal in Knicknähe am Waldrand seinen Platz wechselt.
Ein gedämpftes Klopfen ist zu hören, ein kurzes Tschick.
Eine Amsel? – Ja so ähnlich, aber sie ist es nicht! Sie gesellt sich zu anderen, besucht in den Gärten die Futterhäuschen. - Es ist der Buntspecht. Oh ja, er hat einen roten Hinterkopf, es ist also ein Männchen!
In der Kronenschicht wird es wärmer, einige Kleiber fangen an zu zetern, ungewöhnlich im Dezember, aber nach den vielen trüben Tagen zuvor vermittelt die dezente Lichtflut einen Hauch von Vorfrühling. Es dauert mit ihnen auch nicht allzu lange, dann ist ihr allzu geringer Hormonschub verbraucht!
Beim Blick über den Rand hinaus in die weite Landschaft ist ein größerer Vogelschwarm erkennbar. Mit ihrem typischen Tschecken verraten sich die Wacholderdrosseln, die sich Nahrung auf der Wiese suchen. Es sind gleich einige Hundert. Immer wieder fliegen etliche hoch auf die Buchenäste, um sich von der flach stehenden Sonne bescheinen zu lassen, Es ist angenehmer als im Schnee auf der sehr kalten Bodenschicht nach Nahrung zu stochern. Mit dem Feldstecher erkennen wir darunter einige Brutvögel der Arktis: an dem Weinrot unter der Flügelkante und dem Rahm gefärbten Augenstreif. Es sind Rotdrosseln, die sich gern dazu gesellen.
Wir waren eine längere Zeit unterwegs. Die Faszination der Drosseln hat uns die Bekassine im dichten Unterholz und einige weitere Gäste und Bewohner des Waldes übersehen lassen.
Nun geht es heimwärts, ein kräftiger wärmender Trunk erwartet uns!
Der NABU Pinneberg bietet Wanderungen auch als Waldspaziergang immer wieder einmal an. Fordern Sie unser Programm an. Dort können Sie vielleicht etwas ganz Spezielles für sich finden.
Uwe Langrock